Die Bundesregierung hat sich mit der Energiewirtschaft an einen Tisch gesetzt. Ob es angemessen ist, die Interessen des deutschen Volkes in direkten bilateralen Gesprächen mit der Wirtschaft zu verhandeln, darf bezweifelt werden.
Sind die Laufzeitverlängerungen richtig, sind sie es nicht? Diese Frage ist Gegenstand einer langen und konfrontativen Auseinandersetzung zwischen den Regierungs- und Oppositionsparteien, aber auch innerhalb der Koalition, die Bundeskanzlerin Merkel schließlich recht abrupt vergangenen Sonntag mit einem Papier zur zukünftigen Energiepolitik des Landes für beendet erklärt hat. Der Unfrieden im Kabinett kann der Regierungschefin nicht gefallen haben, ebenso wenig die große mobilisierende Kraft dieser Debatte. In dieser ist vielleicht der Grund dafür zu suchen, dass die Grünen Rekordergebnisse bei jüngsten Umfragen feiern.
Diese Frage also, ob vier, acht oder gar 20 Jahre, und - diese Option spielte bei einem von der Regierung angeforderten Gutachten gar keine Rolle - ob eine Verlängerung überhaupt notwendig oder sinnvoll ist, mag man nach besten Gewissen beantworten. Der Beschluss der Bundesregierung ist aus anderen Gründen frappierend.
Augenwischerei statt Transparenz
Der Atomwirtschaft wurden in direkten Verhandlungen auf Augenhöhe Verträge zugestanden, die auch nachfolgende Regierungen binden werden. Die nun öffentlich gewordenen Vertragsdetails zeigen deutlich, wie sehr die Regierung der Wirtschaft dabei entgegen gekommen ist. So sind die Kosten zur Anpassung der Kratftwerke an Sicherheitsstandards mit 500 Mio. Euro gedeckelt. Was darüber hinaus geht, geht zu lasten des sogenannten Ökofonds. Letztlich werden Sanierungen so auf den Steuerzahler abgewälzt. Auch haben sich die Atomkonzerne gegen eine Verlängerung oder Anhebung der Brennelementesteuer vertraglich abgesichert - und so nachfolgende Regierungen vor vollendete Tatsachen gestellt.
Gerade die Taschenspielertricks, mit denen die Beschlüsse zur Atompolitik geschönt werden, lassen einen ratlos zurück. So wird nach Regierungsangaben das Versprechen, 50% der durch die Laufzeitverlängerung erwirtschafteten Mehreinnahmen der Energiekonzerne abzuschöpfen, eingehalten. Diese Kalkulation fußt dabei auf konstant bleibenden Strompreisen - für die nächsten 14 Jahre. Alternative Berechnungen, die zu erwartende Strompreiserhöhungen mit einbeziehen, lassen vermuten, dass lediglich 28% der Gewinne abgeschöpft werden. Diese Augenwischerei steht im Widerspruch zur Transparenz, die Regierungssprecher Steffen Seibert trotz der zögerlichen Veröffentlichung der genauen Ausgestaltung des Vertrags für die Regierung in Anspruch nimmt.
Neue politisch-ökonomische Kultur
Sprechen für eine Laufzeitverlängerung bereits ausschließlich wirtschaftliche Gründe, verstärkt das Vorgehen der Bundesregierung nun zusätzlich den Eindruck, sie habe sich auf ein Pokerspiel eingelassen - und verloren. Ihr Gebaren ist - so oft dieser Satz auch als Phrase missbraucht wird - ein Kotau vor der Wirtschaft.
Es ist überdies nicht zu erklären, weshalb die Regierung der Energiewirtschaft bilaterale Verhandlungen anbietet, anderen und insbesondere weniger finanzstarken Konzernen jedoch nicht. Dieser Meinung ist im Übrigen auch die Pharmaindustrie, die derzeit im Kanzleramt Sturm klingelt. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Vorgehen nicht den Beginn einer neuen, politisch-ökonomischen Kultur markiert.
Gebotene Distanz zwischen Wirtschaft und Politik
Derartige vertraglichen Vereinbarungen zwischen Politik und Wirtschaft lassen die gebotene Distanz zwischen beiden klar vermissen. Es entsteht der Eindruck direkter Einflussnahme des Kapitals auf politische Entscheidungen. Die Unabhängigkeit politischer Entscheidungen von Einzelinteressen wird so in Zweifel gezogen. Die Energieriesen haben diesen Eindruck mit den geschalteten Anzeigen in den Printmedien selbst aufwändig vorbereitet und inszeniert.
Die Verhandlungen schädigen dadurch das Ansehen von Politik insgesamt; einer Politik, die ohnehin in Teilen der Bevölkerung mit dem - oftmals opportunen - Vorwurf zu kämpfen hat, Büttel von Wirtschaftslobbyisten zu sein. Diesen Bedenken wird nun Nahrung gegeben. Damit nimmt nicht nur das Vertrauen in politische Macht und Möglichkeiten nachhaltigen Schaden, sondern gleichsam die Legitimität und Stabilität unserer Demokratie.
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