Samstag, 5. Februar 2011

Baron der Beliebigkeit

Verteidigungsminister zu Guttenberg stellt sich in seiner Eröffnungsrede der Münchner Sicherheitskonferenz klar auf die Seite ägyptischer Oppositioneller. Während dies nach der bislang vorsichtigen Positionierung der europäischen Politik wie ein klares Bekenntnis erscheint, offenbart zu Guttenberg damit gleichzeitig seine rhetorische Beliebigkeit.

Seit Wochen demonstrieren arabische Völker gegen ihre autokratischen Regierungen. Während die Welle der Renitenz überraschend und unvorhersehbar aufkam, tut sich der Westen ganz erwartungsgemäß schwer damit, eine klare Position zu beziehen.

Zu Guttenberg, dessen politisches Kapital auch darin besteht, klare und deutliche Worte zu finden, hat sich nun hinter die ägyptische Opposition gestellt und zum Handeln aufgerufen. Während dieser Schritt notwendig ist, um die Lücke zwischen ethischem Anspruch der europäischen Rhetorik und tatsächlichem Handeln zu schließen, lassen Äußerungen zu Guttenbergs aufmerken, welche er während des Weltwirtschaftsforums in Davos getätigt hat.

"Infektiöses Momentum"

Im Kreise von Vertretern der versammelten Weltwirtschaft mahnte der Verteidigungsminister zu Wachsamkeit.
Wir müssen auf jeden Fall sehr, sehr Wachsam in die Region blicken, und Wachsamkeit allein genügt nicht. [1]
Also auch ein Aufruf zum Handeln? Anders als in München betont der Verteidigungsminister aber nicht den Freiheitsdrang des ägyptischen Volks als dessen "legitimes Anliegen", sondern seine Sorge um Stabilität in der Region. Es sei ganz offenbar ein "Destabilisierungspotenzial" gegeben, man habe gar ein "infektiöses Momentum" feststellen können. Dabei fordert er, wie auch auf der Sicherheitskonferenz, die "Beziehungen in die Region" zu nutzen. Es bleibt unklar, was genau an dieser Stelle gemeint ist - ein Aufruf zu Schutz und Unterstützung der ägyptischen Opposition ist das allerdings nicht.

Die Frage nach Stabilität in der Region ist sicher von hohem geopolitischem Interesse, und darin ist auch der Grund dafür zu suchen, dass sich die USA lange schwer getan haben, den ägyptischen Diktator Mubarak fallen zu lassen. Doch selbst wenn man in den verschiedenen Einlassungen zu Guttenbergs keinen Widerspruch erkennen möchte, zeigt sich, mit welcher Beliebigkeit er seine Positionen vertritt. Darunter leidet nicht zuletzt seine Glaubwürdigkeit, seine viel gerühmte Redegewandtheit verkommt zu inhaltloser Rhetorik.

Opportunistischer Meinungsschwenk?

Dies geschieht vor dem Hintergrund der Affäre um das Schulschiff Gorch Fock, in deren Folge der Baron als Konsequenz dessen Kapitän abberief - nur Stunden nachdem er davor warnte, Vorverurteilungen vorzunehmen. Die massive Kritik, es handle sich hierbei um ein Bauernopfer, prallte an ihm ab. Auch bestätigen Demoskopen, dass er unbeschadet aus der Sache hervorgegangen ist.

In diesem Fall wie in der Frage nach seiner Positionierung zu den Demonstrationen in der arabischen Welt ist jedoch nicht klar, welche neuen Erkenntnisse und Informationen ihn zu diesem Schwenk seiner Meinung veranlasst haben - oder ob er, je nach Publikum, gerade das verlautbaren lässt, was ihm am opportunsten erscheint.

[1] Äußerungen zum Nachhören Podcast WDR5 - Politikum